„Wir stehen weiterhin zur kindzentrierten Pädagogik in Kitas“
11. Oktober 2024
Der Landesverband Kath. Kindertagesstätten spricht sich für offene Arbeit in den Kitas aus und widerspricht den in jüngster Zeit geäußerten Ideen, wonach ein offenes Konzept nur für Kinder aus sogenannten bildungsnahen Milieus hilfreich sei. Aus Sicht der pädagogischen Forschung ist ein solches pädagogisches Umdenken kontraproduktiv.
In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, in der Kita-Landschaft fände ein pädagogisches Umdenken statt. Es werden Vorwürfe laut, Kinder spielten zu häufig, was sie wollten und würden allein gelassen. Gefragt wird, ob die Haltung der Reformpädagogik, die den Kindergarten als Ort des freien selbstbestimmten Spiels versteht, noch zeitgemäß sei. Insbesondere das Konzept der offenen Arbeit gerät immer wieder in den Fokus.
Aus Sicht unseres Landesverbands bietet das offene und kindzentrierte Konzept jedoch erhebliche pädagogische Vorteile.
Situationsansatz
Der Situationsansatz heißt nicht so, weil Erwachsene sich darauf beschränken, „je nach Bedarf und Situation“ Hilfe anzubieten (wie die „Die Zeit“ schreibt). Der Begriff der Situation im Situationsansatz meint die sozialen und kulturellen Lebenssituationen des Kindes und seiner Familie. Der Ansatz fordert Pädagoginnen und Pädagogen dazu auf, sich in der Lernunterstützung der Kinder an dieser Lebenswelt und ihren Schlüsselsituationen zu orientieren. Alle Kinder werden als neugierige und selbsttätige Persönlichkeiten gesehen, die sich aktiv mit Fragestellungen, Themen und Problemen auseinandersetzen und entlang dieser Themen im Dialog mit Erwachsenen lernen. Die mehrfach geäußerte Idee, wonach diese Überzeugung nur für Kinder aus sogenannten bildungsnahen Milieus hilfreich sei und Kinder mit Migrationshintergrund so nicht genügend lernen, ist nicht Stand der pädagogischen Forschung.
Kinder sind daher in Kitas, die nach dem Situationsansatz oder dem Konzept der offenen Arbeit arbeiten, mitnichten allein gelassen. Beide Konzepte fordern im Gegenteil Pädagoginnen und Pädagogen dazu auf, dicht an den Themen der Kinder und ihren Lernwegen zu sein und als Antwort darauf eine Lernumgebung zu schaffen, in der Kinder an ihren Fragen und Interessen arbeiten können. Dazu gehört, passende Materialien und Angebote bereitzustellen – aber auch, die Kinder in ihrem Lernen und Forschen dialogisch zu begleiten.
Offene Arbeit
Offene Arbeit wird fälschlicherweise gleichgesetzt mit Chaos, mit fehlender Lernunterstützung und damit, dass Kinder alleine gelassen werden. Diese Sichtweise offenbart ein mangelndes Verständnis von offener Arbeit. Die Idee der Offenheit in der offenen Arbeit meint primär eine pädagogische Haltung, die Kinder mit hoher Achtsamkeit, dialogisch und eben offen begegnet. Lernintentionen und Bedürfnisse der Kinder haben oberste Priorität.
Es geht um eine Haltung der konsequenten Orientierung am Kind. Die Öffnung von Räumen (die häufig in den Vordergrund gerückt wird) ist eine Folge der Offenheit in den Köpfen. Der vermeintliche Widerspruch zwischen dem Lernen und einer Pädagogik, die vom Kind her denkt, löst sich schnell auf, sobald man einen Blick darauf wirft, was wir aus der Frühpädagogik und der Entwicklungspsychologie darüber wissen, wie kleine Kinder lernen: Von Erwachsenen angeleitetes Lernen, vorgegebene Lernwege und thematische Vorgaben sind für das Lernen von Kindern im Kindergartenalter nur bedingt hilfreich. Kinder lernen besser entlang ihrer eigenen Interessen und ihrer eigenen Motivation.
Die Förderung des Gemeinschaftssinns sollte daher nicht in Widerspruch zu einer kindzentrierten Pädagogik und individueller Förderung gestellt werden, meint Harald Unseld, Kita-Fachberater bei der Fachberatung Aalen des Landesverbands. „Klagen über eine Ich-Gesellschaft und eine Abnahme der Gemeinschaftsfähigkeit mögen berechtigt sein“, so Unseld. „Dies in Zusammenhang mit der vermeintlichen Notwendigkeit eines pädagogischen Umdenkens zu bringen, wäre aber sicherlich nicht berechtigt.“ Denn die Voraussetzung für das Entwickeln von Gemeinschaftssinn sei das alltägliche Erleben von individueller Eigenständigkeit und gemeinschaftlicher Verantwortung. Partizipation im Sinne von sich einbringen und mitentscheiden ist somit die Voraussetzung dafür, Verantwortung in der Gemeinschaft zu übernehmen. Dafür bieten Kitas in ihrem Alltag ein entsprechendes Übungsfeld.
Allerdings ist die Zeit, sich auf einzelne Kinder, ihre Fragen und Lernwege einzulassen, in vielen Kitas aufgrund fehlender Fachkräfte Mangelware. Wolf-Dieter Korek, fachlicher Vorstand beim Landesverband: „Es kann keine Rede davon sein, dass in Kitas mehr ‚Fördern statt Kuscheln‘ nötig sei, dass ‚zu viel Chaos‘ herrscht oder individuelle Förderung nicht mehr im Fokus steht.“ Vielmehr gehe es darum, wie Kitas in der Umsetzung dieser pädagogischen Ansätze unterstützt werden könnten. Dabei liegt die wahre Herausforderung nicht in der Rückkehr zur Vorschule und zu Förderansätzen, sondern in der Gestaltung von Bedingungen, die allen Kindern – unabhängig von ihren Startvoraussetzungen – eine möglichst optimale individuelle Entwicklung ermöglichen. Koreks Fazit: „Wir stehen weiterhin zu einer konsequenten kindzentrierten Pädagogik in unseren Kitas.“